Demokratie trifft Inklusion

Gusti Steiner-Stiftung und Stadt Dortmund machen „Demokratie trifft Inklusion“ zum Thema – Empörung bei Diskussionsabend

Es hakt bei Frühförderung behinderter Kleinkinder

Erster öffentlicher Auftritt der gemeinnützigen Gusti Steiner-Stiftung: Rund 80 Interessierte folgten am Dienstag, 21. November, dem Diskussionsabend „Demokratie trifft Inklusion“ in der Rotunde des Museums für Kunst und Kulturgeschichte (MKK) in Dortmund. Hierzu hatte die Stiftung gemeinsam mit der Stadt Dortmund eingeladen. Die mangelnde Unterstützung behinderter Kleinkinder in Dortmund in der Frühförderung sorgte für Empörung an diesem Abend.

Eigentlich standen zwei Vorträge im Mittelpunkt der Veranstaltung: In ihrem Vortrag „Demokratie braucht soziale Bewegung“ blickte die Vorstandsvorsitzende der Gusti Steiner-Stiftung, Dr. Birgit Rothenberg, zurück auf fast 50 Jahre politische Behindertenarbeit in Dortmund.

Dr. Birgit Rothenberg beim Vortrag.
Referierte zu „Demokratie braucht soziale Bewegung“: Dr. Birgit Rothenberg, Vorstandsvorsitzende der Gusti Steiner-Stiftung.

Dr. Theresia Degener, Professorin für Recht und Disability Studies an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum und seit 2011 Mitglied und von 2016 bis 2018 Vorsitzende des UN-Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, gab mit ihrem Vortrag „Demokratie braucht Menschenrechte“ den internationalen Blick auf den Stand von Inklusion. Und Degener sieht aktuell eine Verschlechterung der Lage der Behinderten.

Prof. Dr. Theresia Degener bei ihrem Vortrag.
„Demokratie braucht Menschenrechte“ war Thema von Prof. Dr. Theresia Degener, seit 2011 Mitglied und von 2016 bis 2018 Vorsitzende des UN-Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Genau das scheint jetzt bei behinderten Kindern der Fall zu sein: „Ich bin empört, dass für Frühförderung in Dortmund ausreichende Angebote fehlen“, sagte Margot Strotmann „Umso schlimmer ist, dass die Verantwortlichen bei Stadt und Landschaftsverband auf entsprechende Anfragen bislang nicht geantwortet haben“. Die langjährige Mitarbeiterin des Diakonischen Werks in Dortmund hatte schon vor drei Jahrzehnten mit Erfolg daran gearbeitet, dass behinderte Kinder in den Jahren vor dem Schulbesuch fachlich gefördert werden. Das scheint jetzt nicht mehr umfassend der Fall zu sein – was auch Martina Skender von der Stadt Dortmund wunderte. Sie hatte das Grußwort der Veranstaltung gesprochen und wurde von der Nachricht des Frühförder-Engpasses überrascht.

Vortrag: Frühförderung in Dortmund ist aktuell problematisch. Reaktion von aus dem Publikum.
Reaktion aus dem Publikum zur aktuellen Situation der Frühförderung in Dortmund.

Bei den Vorträgen und der anschließenden Diskussion blitzte immer wieder schlaglichtartig das Wirken von Gusti Steiner in seiner Wahlheimat Dortmund auf, wenn es um die Umsetzung von Grund- und Menschenrechten von behinderten Menschen ging. Spektakulär war 1981 die Besetzung des Podiums bei einer Veranstaltung zum „Jahr des Behinderten“ in den Westfalenhallen. Damit konnte der damalige Bundespräsident Karl Carstens nicht auftreten. Die politische Behindertenbewegung lehnte die Veranstaltung als verschleiernde Feierstunde ab. Aber auch Slogans wie „Jedem Krüppel seinen Knüppel“ oder das Krüppeltribunal sorgten weit über Dortmund hinaus für Aufsehen.

Plakat mit Zitat "Die Lähmung ist nicht die Behinderung"
Im Museum waren auch Plakate zu Gusti Steiners Aktionen zu sehen, auch dieses mit dem Zitat: „Die Lähmung ist nicht die Behinderung.“

Daneben stand die unspektakuläre Arbeit des Sozialarbeiters Steiner, der Probleme für viele behinderte Menschen praktisch im Alltag löste. So betonte Sylvia Günther die ermutigende Unterstützung durch Gusti Steiner, als es darum ging, den Anspruch ihres behinderten Sohnes Jonas auf notwendige Unterstützung durch einen Integrationshelfer in der Schule durchzusetzen.

Für sein Wirken nahm ihn die Theodor-Heuss-Haus-Stiftung 2022 in die „100 Köpfe der Demokratie“ auf. Dort findet sich Steiner jetzt neben Persönlichkeiten wie Willy Brandt und Helmut Kohl. Steiner setzte sich prominent für die Emanzipation und Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung in Westdeutschland ein. Durch medienwirksame Aktionen gemeinsam mit weiteren Behindertenbewegten stellte Steiner erstmals eine kritische Aufmerksamkeit für das Leben von Menschen mit Behinderungen her, heißt es in der Laudatio der Stiftung.

Für Dr. Birgit Rothenberg war das Anlass, zur Fortsetzung der Arbeit des 2004 verstorbenen Gusti Steiner die gleichnamige Stiftung ins Leben zu rufen. Die Stiftung hat es sich zum Ziel gesetzt, behinderte Menschen bei der Verwirklichung eines selbstbestimmten Lebens zu unterstützen. Weiteres gleichberechtigtes Ziel ist, das Wissen um die Behindertenbewegung als Menschenrechtsbewegung erfahrbar zu machen und zu sichern.